Bericht über die Neapel-Exkursion des Lateinkurses 8.1/8.2 vom 04. bis 09. Juni 2018
Wahrscheinlich waren alle etwas aufgeregt. Die Schüler, weil sie sich auf eine spannende Woche freuten; die Eltern, weil sie ihre Kinder eine Woche lang unter meiner Obhut ins Ausland schickten und ich natürlich, weil in einer Woche Neapel so ziemlich alles passieren kann und als Lehrer muss man ja auf jede Situation sofort, unvorbereitet, richtig und angemessen reagieren können. Nur Fr. Werner war bestimmt etwas entspannter, denn sie ignorierte im Gegensatz zu mir alle Unkenrufe im Vorfeld: in Neapel klauen sie, passt auf eure Wertgegenstände auf, die fahren wie die Henker, gefährliches Pflaster, Rucksack vor dem Bauch tragen, selbst im Hotelzimmer ist nichts sicher.
Am Ende sollte sich nichts davon bewahrheiten.
Die größte Herausforderung stellte sich mir einen Tag vor der Abreise. Lea war kurzfristig erkrankt und konnte auf keinen Fall mitfahren. Also musste schnell Ersatz besorgt werden, damit die Familie nicht auf den Kosten sitzen bleibt. Das gelang auch, allerdings stellte sich das erst Montagmorgen am Flughafen raus, weil die Sache mit der Gruppenbuchung bei easyJet nichts ganz so einfach ist. So kam Charly dann als einzige Französin in den Genuss der Reise. Alle anderen Schüler waren die Lateiner aus der 8.1und 8.2, sowie Elli und Hannes aus der 9.1 als Gerademacher um Betten zu füllen.
Vorausgegangen war ein Jahr Vorbereitung. Die Schüler bekamen die Reise als Weihnachtsüberraschung, sodass bis zum Dezember alles (Flug, Unterkunft, Anträge) mit den Eltern über Umwege an den Schülern vorbei organisiert werden musste. Inhaltlich wurde die Exkursion mit einer Vortragsreihe (natürlich benotet) im Unterricht vorbereitet: die Geschichte Neapels, Plinius d. Ältere und d. Jüngere, der Untergang 79 n. Chr., Vulkane u.a. waren die Themen.
Montag, 02. Juni: Ankunft und erste Eindrücke
Dann war der große Tag gekommen. Am Montag, 02. Juni traf sich die Hälfte der Schüler mit uns am Ostkreuz um nach Schönefeld zu fahren. Dort wartete die zweite Hälfte. Namensänderung, Kofferabgabe, Sicherheitsschleuse – alles ging sehr schnell, sodass wir noch im Flughafen Wartezeit überbrücken mussten. Der Flug verlief unspektakulär und so kamen wir pünktlich und bei bestem Wetter am Flughafen Neapel an. Nach einer kleinen Odyssee auf dem Flughafenvorplatz fanden wir den – viel zu teuren – Bus in die Innenstadt. Unsere Jugendherberge lag nah am Bahnhof. Die Bahnhofsvorstadt ist nicht gerade eine Top-Wohngegend, doch das störte uns nicht, war die Jugendherberge nämlich sauber und ordentlich, das Personal nett, freundlich und hilfsbereit. Frühstück war inklusive und beinhaltete das Nötigste. Die Jungs (v.a. der 8.2) schlossen schnell Freundschaft mit der Spielkonsole. Gespielt wurde abends ausschließlich Fifa und so ein pädagogisch nicht-wertvolles Spiel aus dem Ego-Shooter-Genre (immerhin ab 12 freigegeben). Maskottchen der Jugendherberge war Gigi, eine Rennschildkröte, die entweder auf dem Balkon rumturnte, durch die Küche hetzte oder in einer Wasserschüssel vor sich hin döste.
Nachdem wir angekommen waren, uns eingelebt und in der nahegelegenen Kaufhalle Vorräte angelegt hatten, ging es zur ersten Station. Vom Bahnhofsvorstand mussten wir in die historische Altstadt durch enge, baumlose Gassen (die Zahl großer Straßen mit Bäumen und überhaupt an Bäumen in der Stadt konnte man an einer Hand abzählen, als Berliner ist man da anderes gewohnt) in denen Autos und Mofa-Fahrer wild unterwegs waren. Unser Ziel war das Museo Capella San Severo, in dem es einige schöne Statuen zu betrachten und zu analysieren gab. Sie hatten so schöne Namen wie „Educazione“, „Cristo velato“ oder „Disinganno“ u.a. (Erziehung, der verhüllte Christus, Erleuchtung). Sehr beeindruckend war letztere Statue mit einem gemeißelten Netz. Im Anschluss gab es noch zwei „Macchine anatomiche“ (à la Gunther von Hagens, 18. Jhd.). Danach ging es zum Pizza-Festival, das genau in unserer Woche stattfand: für 12€ Pizza (über 40 verschiedene zur Auswahl), Dessert, Getränk und Espresso. Mein Gebot „kein Koffein nach 15 Uhr“ wurde gleich am ersten Tag exkursionsbedingt torpediert. Wenigstens ich bekam ausreichend Schlaf.
Dienstag, 03. Juni: Pompeii
Früh am Morgen ging es mit der S-Bahn (so will ich den Nahverkehrszug mal bezeichnen) nach Pompeii. Wir mussten zum Eingang Anfiteatro, wo auch alle Gipskörper der beim Vulkanausbruch gestorbenen ausgestellt waren. Leider nahmen wir den falschen Zug und kamen am anderen Ende der Ausgrabungsstätten raus, doch der Weg zum richtigen Eingang war nicht lang. Dank Vorbestellung klappte dort alles reibungslos (10 € für alle zusammen) und wir waren die nächsten Stunden beschäftigt. Das Amphitheater war unsere erste Station. Danach ging es über die Hauptstraße Richtung Forum, vorbei an den Überresten der Häuser, die wir je nach Interesse mehr oder weniger intensiv in Augenschein nahmen. Zwar knallte die Sonne, aber wir waren eingecremt und es gab doch relativ viel Schatten. Am Forum gab es mehrere Tempel zu besichtigen und wir machten die erste Pause. Weiter ging es über das Haus des Fauns nebst Alexandermosaik und der Nekropole (Totenstadt, die Römer begruben ihre Toten außerhalb der Mauern) zur Mysterien-Villa. Dort schloss sich ein obligatorischer Souvenirstand samt Eisladen an, der auch gleich überfallen wurde. 2 € für zwei Kugeln oder eine sehr große – geht in Ordnung. Was die Woche noch häufiger passieren sollte: „il professore“ bekommt häufig Dinge kostenlos, hier war es das Eis.
Über das Forum ging es dann zurück. Am Heiligtum der städtischen Laren gab es dann das erste Gruppenfoto. Auf dem Rückweg kamen wir noch am Theater vorbei. Hier konnten wir uns davon überzeugen, dass die Theater so gebaut waren, dass man selbst auf dem letzten Platz alles klar und deutlich verstanden hat, wenn die Schauspieler mit normal lauter Stimme sprachen. Super Akustik. Die Römer waren halt Könner bzw. sie haben‘s gut von den Griechen übernommen. Auch gab es hier einen schönen Überblick über die Stadt, weil es der höchste zugängliche Punkt war. Schließlich waren wir wieder am Ausgang angelangt und nahmen die S-Bahn zurück.
Abends wurde zum Teil gekocht, zum Teil Essen gegangen.
Mittwoch, 04. Juni: Vesuv und Herculaneum
Unser Herbergsvater Alfonso besorgte uns einen Bus, der uns nicht weit von der Jugendherberge abholte. Es ging direkt zum Vesuv (Eintritt: 8,- € und das ist schon ermäßigt). Dort wurden wir am zentralen Parkplatz rausgeschmissen, den Rest des Weges zum Krater kann man nur zu Fuß gehen. Unterwegs lauern diverse Souvenirverkäufer. Mineralogen haben ihre helle Freude, bei den Mengen an Gestein, die da verkauft werden. Ich bekam ein paar Kostproben gratis. Der Krater war beeindruckend und die Aussicht wunderbar. Interessant war das Naturschauspiel, als der Wind ein paar tiefe Wolken über den Vesuv drückte, sodass wir auf einmal mitten in der Wolke standen. Ich kaufte etwas Vesuv-Wein (Lacrima Christi, Christustränen) in einer schicken Obsidian-Flasche als Mitbringsel für meine Schwester und schon ging es wieder zurück. Eine halbe Stunde mehr wäre sicher nicht falsch gewesen.
Es ging weiter nach Herculaneum. Die Stadt ist viel besser erhalten als Pompeii, aber weniger ausgebuddelt … ähm … archäologisch erschlossen, was wohl an der Bebauung mit Wohnhäusern liegt. Viele Gebäude sind mit zwei oder gar drei Etagen erhalten, was in Pompeii eine Seltenheit war. Es gab keine Hohlräume der Verstorbenen, dafür wurden viele Skelette gefunden, die auch ausgestellt waren. Auch hier gab es ein Gruppenfoto, wobei leider die Zahl der Andreas-T-Shirts zu wünschen übrig lässt. Wär mir diese Erinnerung daran doch nur frühzeitiger vor der Abreise eingefallen.
Nach Herculaneum hatten wir noch etwas Zeit und stöberten einen Eisladen auf. Danach ging es mit dem Bus endgültig zurück.
Donnerstag, 05. Juni: Katakomben von San Gennaro, Nationales Archäologiemuseum, Castel St. Elmo
Da hatten wir uns heute was vorgenommen. Es ging los zu Fuß zu den Katakomben von San Gennaro. Man hätte auch Bus fahren können, allerdings wären wir damit in der morgendlichen Neapolitaner Rushhour nicht schneller gewesen. Und so nahmen wir unterwegs noch etwas von der Stadt auf.
Wie uns unsere deutschsprachige Führerin in den Katakomben erklärte, ist der Heilige Januarius einer von gefühlt hundert Heiligen in Neapel, aber der wichtigsten. Sein Blut wird dreimal jährlich vorgezeigt. Wenn es flüssig wird, gilt das als gutes Zeichen. Und in eben jenen Katakomben hatte er seine damalige Kirche. Wir erfuhren einiges über die Riten der ersten Christen, auch wenn das im Unterricht noch etwas Zeit hat.
Nach den Katakomben ging es in Nationale Archäologiemuseum. Es gab eine Menge an Marmorstatuen, Mosaiken und sonstigen Gegenständen zu besichtigen, die überwiegend aus Pompeii, Herculaneum, Stabiae und Oplontis kamen – also den vier größeren Häuseransammlungen, die 79 n. Chr. zerstört wurden. Wir sahen das berühmte Alexandermosaik im Original und die beide Bronzeläufer aus der Villa dei Papiri. Außerdem waren hier die drei berühmten Farnesischen Statuen ausgestellt: der Herakles (wer schonmal in Kassel war, kennt die Statue), der Atlas und der Stier.
Nach dem Museum teilte sich die Gruppe: Ein Teil erholte sich mit Fr. Werner von Kunst, Kultur und Wanderung in der Jugendherberge, der andere Teil erklomm mit mir die Straße zum Castel St. Elmo. Es war nicht lang, aber steil, doch oben hatten wir einen guten Ausblick auf die Stadt, Bucht und Vesuv. Ins Castel kamen wir nicht, sodass wir uns auf der anderen Seite des Hügels auf den Rückweg machten. Das war nicht ganz so leicht in dem Wirrwarr an Gassen, doch irgendwie kamen wir bei einer Standseilbahn wieder raus. Die nahmen wir eine Station (leider war der Fahrkartenautomat „kaputt“) und fanden rechtzeitig zum Treffpunkt den Weg zum Pizzafestival. Doch das sollte erst in 2 h aufmachen und so blieb uns nichts übrig als zu warten und wegen des warmen Wetters die Füße im Mittelmeerwasser baumeln zu lassen.
Nach Vereinigung mit der zweiten Gruppe ging es erneut aufs Pizzafestival, bei dem die Mädels am Haribostand abräumten: klein und süß gucken können kann echt Vorteile haben. Ein paar „Orsetti d’oro“ haben sie mir sogar abgegeben. Auf dem Rückweg (zu Fuß, nur 3 km) rechnete Jimi aus, dass wir seit über 8 h unterwegs waren. Watt ein Tag, der dann mit Wizzard und Fifa zu Ende ging.
Freitag, 06. Juni: die Solfatara, Piscina Mirabilis und unberührte Strände
Nicht alle waren heute auf dem Damm. Mindestens vier Erkältete gab es zu beklagen, sodass wir etwas reduziert mit der S-Bahn nach Westen in Richtung der Phlegräischen Felder aufbrachen. Dabei handelt es sich um ein zusammenhängendes Gebiet mehrerer kleiner Minivulkane. Der erste Halt war in Puzzuoli. Hier gibt es den größten Minivulkan zu besichtigen. Leider ist nach einem tragischen Zwischenfall 2017 die Besichtigung von Nahem derzeit nicht möglich. Aber wir sahen – und rochen – von Weitem die Schwefeldämpfe und waren überzeugt. Nach einem kurzen Eisstop im Kiosk ging es am Amphitheater der Stadt vorbei zum anderen Bahnhof, von wo wir mit dem Zug Richtung Misenum fuhren.
Dort wollten wir uns eigentlich den ehemaligen Stützpunkt der römischen Mittelmehrflotte anschauen, die eben jener Plinius der Ältere befehligte, als der Vesuv ausbrach und mit der er bei einem Rettungsversuch umkam. Doch die Entfernung bis nach Misenum war etwas weit, sodass wir nach rund 45 Minuten nur bis zur Piscina Mirabilis kamen. Das ist das einzig erhaltene Bauwerk des Flottenstützpunktes, nämlich das Trinkwassersammelbecken, so groß wie zwei Turnhallen.
Auf dem Rückweg zur Bahn machten wir noch Halt am „Strand“. Wir hatten unsere Ruhe und waren die einzigen Badegäste dort, was wohl auch an der „Unberührtheit“ der Bademöglichkeit lag – sie war ganz schön vermüllt. Danach ging es zum Zug und mit einem Umstieg nach Hause. Ein Teil war dann abends noch beim „Italiener“, die anderen verbrieten Reste. Ich merkte, dass ich den Tag nicht eingecremt war und zuviel Sonne bekommen hatte…
Samstag, 07. Juni: Abreise
Der Flug ging erst am späten Mittag, sodass ich mit ein paar Interessieren noch den Weg in den Neapolitaner Dom, der eigentlich eine Kathedrale ist und nicht weit weg lag, suchte. Ein sehr beeindruckendes Gebäude und typisch, katholisch verschwenderisch eingerichtet. Die Reliquien waren interessant anzuschauen, doch das Blut des Heiligen Januarius fanden wir nicht.
Schließlich ging es zum Bahnhof, von dort mit dem Bus zu Flughafen. Ich hatte nach diversen Gruselgeschichten etwas mehr Zeit geplant, doch am Flughafen ging es schneller als noch am Montag in Schönefeld, sodass die Schüler am Flughafen noch 1 Stunde hatten um letzte Euronen in Essen umzusetzen.
Der Flug verlief ruhig und nach Ankunft in Schönefeld waren alle Schüler wieder in einem Stück bei ihren Eltern angelangt.
Nichts war geklaut worden und selten habe ich so viele nette und hilfsbereite Menschen auf einem Fleck getroffen. Als Schulklasse kamen wir überall gut durch, Autofahrer verzichteten für uns auf ihre Vorfahrt und als Lehrer wurde ich von den Italienern mit sehr viel Respekt und Wertschätzung behandelt. In Italien scheint man als Lehrer nicht ganz so gut zu verdienen, allerdings besitzt man dort ein deutlich höheres Ansehen, als in Deutschland. Mir hat die Woche sehr gefallen und nach den Rückmeldungen vermute ich Ähnliches bei meinem Lateinkurs. Neues gelernt haben wir bestimmt und die ganzen Dinge, über die man im Unterricht sonst nur redet, mal „in Echt“ zu sehen war schon eine Erfahrung. Ich hoffe, dass es nicht die letzte Exkursion nach Neapel war.
Hr. Sill